(Un-)Karnevalistische Gedanken
Der Karneval nähert sich seinem Ende, Aschermittwoch steht vor der Tür und bei all dem Trubel, den ich an mir habe vorbeiziehen lassen, musste ich regelmäßig an einen anderen Karneval denken. Kein hunderte von Jahren zurückliegender Karneval mit dutzenden von Toten - auch wenn das vielleicht interessanter wäre - sondern ein gerade einmal 18 Jahre zurückliegender. Das besondere daran ist, dass er faktisch zumindest in Deutschland nicht stattfand.
1991 entschlossen sich die Narren in Deutschland unter dem Eindruck des ersten Krieges mit europäischer Beteiligung seit dem Zusammenbruch des Ostblocks, nicht Karneval zu feiern. Man wollte sich nicht in Frohsinn ergehen, an Albernheiten ergötzen, während im Irak Menschen starben. Diese edel anmutende Geisteshaltung in Ehren, aber es drängt sich doch die Frage auf, ob 2009 zur Karnevalszeit keine Kriege unter europäischer Beteiligung mehr geführt werden. Und ob den Karnevalisten die toten Amerikander des Jahres 1991 mehr wert sind, als die toten Amerikaner des Jahres 2009.
So böswillig muss man aber nicht über seine Zeitgenossen denken. Der Unterschied zwischen dem Karneval 1991 und dem karneval 2009 dürfte uns weniger über die Geisteshaltung der heutigen Zeitgenossen verraten als vielmehr ein bezeichnendes Licht auf die Stimmung der beginnenden 90er Jahre werfen. Eine Zeit, die geprägt war von einer heute kaum verständlichen Zukunftshoffnung. Nach dem Ende des vierziegjährigen Kalten Krieges stand es damals für die Menschen zumindest in Deutschland, wahrscheinlich in ganz Europa, fest, dass auf einen kalten Krieg nur noch Friede folgen könnte. Der Konflikt, der die letzten Jahrzehnte geprägt hatte war vorbei - wo sollten neue Konflikte entstehen? Mitten hinein in diesen Friedenstaumel platzte der Angriff der Alliierten auf den Irak und brachte die Harmonieblase zum Platzen. Wir mussten uns plötzlich damit auseinandersetzen, dass wohl doch nicht alles übel auf dieser Welt ausschließlich aus dem ideologischen Gegensatz von Ost und West geboren wurde. Der Irakkrieg wirkte ernüchternder als so manch ein Aschermittwoch und brachte ließ eine ganze generation jäh aus ihren Friedensträumen erwachen.