28.
Dez
08

Alle Jahre wieder

von Ben

Es ist Weihnachtszeit und im Nahen Osten herrscht Krieg – mal wieder. Da predigen die Christen auf der ganzen Welt den Frieden und Israelis und Palästinenser halten sich nicht daran. Ebenso wenig wie manche Iraker oder Afghanen oder Pakistani… um nur die aktuell prominentesten Konfliktherde zu nennen. Andererseits halten wir uns ja auch nicht daran. Es ist schließlich kein Zufall, dass an den Weihnachtsfeiertagen die Anzahl innerfamiliärer Konflikte steigt. Und das, obwohl die Kritiker des Weihnachtsfestes seinen Anhängern den Vorwurf zwanghafter, heuchlerischer Friedfertigkeit machen.

In gewisser Weise haben die Kritiker sogar recht. Das Weihnachtsfest scheint tatsächlich in vielen Familien von dem verzweifelten Versuch geprägt zu sein, eine möglichst harmonische Stimmung zu kreieren. Und ich frage mich, warum eigentlich. Weil Weihnachten das Fest der Liebe ist? Weil Weihnachten das Fest des Friedens ist? Um es kurz zusammenzufassen: das ist es alles nicht.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden…

Nun, das klingt in der Tat sehr friedlich. Aber es sollte nicht vergessen werden, dass es übersetzungen gibt, die mit den Worten fortfahren “den Menschen seines Wohlgefallens”. Da ich weder Theologe, noch Altphilologe bin, will ich mich hier nicht auf eine Übersetzungsdiskussion einlassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Idee von einem Universalfrieden dem Weihnachtsfest nicht per se innewohnt.

Und das Fest der Liebe? Natürlich ist Weihnachten das Fest der Liebe… der Liebe Gottes zu den Menschen. Das ist dann aber auch alles.

Meine Sicht auf das Weihnachtsfest lässt sich vielleicht erhellen, durch einen Blick auf das Umfeld der Geburt Jesu. Zu dieser Zeit befindet sich das Heilige Land unter römischer Besatzung, einer Besatzung, die erst durch die Eroberung durch die Araber enden sollte (wobei man auch hier von Besatzung sprechen kann). Direkt nach der Geburt lässt biblischer Überlieferung nach Herodes alle Neugeborenen Bethlehems töten, um unliebsame Konkurrenz zu vermeiden. Und worauf lief die Weihnachtsgeschichte im Endergebnis hinaus? Auf die Hinrichtung Jesu am Kreuz. Und wir reden von Frieden!

Vielleicht sollten alle diejenigen, die Weihnachten feiern zuvor eine Entscheidung fällen: feiern sie, weil sie daran glauben, feiern sie, weil sie die Gelegenheit zu einem Familienfest nutzen wollen, oder feiern sie, weil es so üblich ist? Wer feiert, weil er daran glaubt, sollte vielleicht mehr die Hoffnung auf Frieden feiern, statt sich der verzweifelten Suche nach familiärem Frieden zu ergeben. Und meines Erachtens kann es Frieden ohne Ehrlichkeit und den ein oder anderen Konflikt nicht geben. Wer nur ein Familienfest will, sollte eigentlich kein Problem haben. Eine Familie, in der zwanghaft Harmonie simuliert werden muss, ist sowieso kein Fest wert. Wer Weihnachten nur feiert, weil es so üblich ist, ist in der schönen Situation, nichts ändern zu müssen. Er/sie kann weiterhin ab September Lebkuchen kaufen (ist so üblich), vier Wochen lang gestresst umherirren auf der Suche nach Geschenken (ist so üblich), seichte Weihnachtmusik hören (ist so üblich), am Heiligen Abend Harmonie simulieren (ist so üblich) und spätestens nach Bescherung und Abendessen die schöne Fassade mit dem Familienstreit des Jahres zum Einsturz bringen.

Und was ist mit den Kritikern? Die können sich eine der drei Versionen aussuchen. Wenn sie damit immer noch nicht zufrieden sind, können sie Weihnachten auch ausfallen lassen, dann besteht kein Grund mehr, zu meckern – dann gibt es aber auch keine Geschenke! Und spätestens hier dürfte bei allem anti-spießbürgerlichen, aufklärerischen Habitus doch die Grenze erreicht sein, die der Egoismus setzt.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten nachträglich!

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