Bücher: 1967. Israel, the war, and the year that transformed the middle east
Nach „Es war einmal ein Palästina“ liegt nun mit „1967“ eine weitere Studie zur israelischen Geschichte von Tom Segev auf Deutsch vor. Wie der Titel bereits ankündigt ist „1967“ nicht allein die Geschichte des 6-Tage-Krieges – die Darstellung des Krieges selbst nimmt nur ein Drittel des Buches ein – sondern die Darstellung der drei vielleicht bedeutsamsten Jahre der israelischen Geschichte.
Anhand von Briefen, die Israelis ins Ausland schickten, und privaten Aufzeichnungen sowohl einfacher Bürger als auch aus der politischen Elite, zeichnet Segev das Bild einer Gesellschaft, die eine Erfolgsgeschichte ein könnte, jedoch von inneren und äußeren Krisen schwer gebeutelt wird. Es ist nicht allein der andauernde palästinensische Terror, der Israel zusetzt. Erschwerend kommt hinzu die wirtschaftliche Stagnation und die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft. Dankenswerter Weise scheut sich Segev nicht, nicht nur die alltägliche Diskriminierung der israelischen Araber darzustellen, sondern geht auch auf die Ungleichbehandlung der orientalischen Juden (Mizrahim oder Sepharden) durch die aus Europa stammenden Juden (Ashkenazen) ein. Er rührt damit an eine Wunde, die bis heute nicht verschlossen ist.
Vor diesem Hintergrund entwickelt Segev das Panorama der israelischen Politik, die schlussendlich zum Krieg mit Ägypten, Syrien und Jordanien führen sollte. Einem Krieg, den Israel zwar immer als Präventivkrieg dargestellt hat, der seine Wurzeln jedoch in der fortwährenden gegenseitigen Provokation aller Beteiligten hat. Wohl zu recht weisst Segev darauf hin, dass der 6-Tage-Krieg alles andere als unvermeidbar war. Insoweit mag man sogar Parallelen zur Entstehung des Ersten Weltkrieges erblicken, der letzten Endes der aufgeheizten Stimmung in Europa und der Unfähigkeit und dem Unwillen der politischen Eliten geschuldet war, den Krieg aufzuhalten.
Im Rahmen der Schilderung des Krieges selbst geht Segev intensiv auf die widerstreitenden Vorstellung innerhalb der politischen Klassen ein. Überraschend für manchen Leser mag sein, dass David Ben Gurion ein entschiedener Gegner des Krieges war und Moshe Dayan zumindest der Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes kritisch gegenüberstand. Letzten Endes wurden jedoch Ost-Jerusalem, der Gazastreifen und das Westjordanland dennoch erobert. Gerade die Eroberung der letzten beiden Gebiete erfolgte jedoch nicht mit einer langfristigen Perspektive sondern nur mit dem Ziel, sich Verhandlungsmasse für die anschließenden Friedensgespräche zu verschaffen. Erst im überschwang des Sieges fiel die Entscheidung, die besetzten Gebiete nicht zu räumen.
Das Jahr nach Ende des Krieges entwickelt Segev als die Geschichte einer großen verpassten Chance, der verpassten Chance auf Frieden mit den Nachbarn. Auch wenn das Verhalten der israelischen Politiker die Haltung der arabischen Führer sicher nicht positiv beeinflusst hat, muss man dennoch in Frage stellen, ob nach dem 6-Tage-Krieg wirklich ein auch für Israel akzeptabler Frieden möglich gewesen wäre. Meines Erachtens ist es mehr als zweifelhaft, dass sich die arabische Welt auf eine Lösung eingelassen hätte, die das überleben Israels als jüdischer Staat ermöglicht hätte.
„1967“ ist eine ausgewogene und umfassende Darstellung der israelischen Außenpolitik und des Besatzungsregimes. Segev schreckt weder davor zurück, Missstände wie die Diskriminierungen innerhalb der israelische Gesellschaft oder die Übergriffe auf Palästinenser nach dem Krieg beim Namen zu nennen, noch verschweigt er die innerisraelische Kritik, die sich dagegen richtete. Ein Manko des Buches ist sicherlich, dass der einzige weitere Staat, dessen Politik aus der Innenansicht geschildert wird, die USA sind. Es wäre sicherlich interessant, der israelischen Führung die Pläne und Ideen der Politiker aus Kairo, Amman und Damaskus gegenüber zu stellen. Andererseits steht es zu bezweifeln, dass auch nur einer dieser Staaten einem Israeli Zugang zu seinen Archiven gewähren würde.
Alles in allem lohnt sich die Lektüre für jeden, der einen tieferen Einblick in die israelische Geschichte und den Nahost-Konflikt gewinnen möchte. Im Gegensatz zu vielen deutschen Geschichtsdarstellungen ist „1967“ flüssig und spannend geschrieben und profitiert von der umfangreichen Zitation aus Briefen und persönlichen Aufzeichnungen. Ein rundum empfehlenswertes Buch also.
Tom Segev; 1967. Israel, the war, and the year that transformed the middle east; New York; 2005; dt.: 1967 – Israels zweite Geburt; München 2007