16.
Jun
07

Kunst und Reinigungskräfte

von Ben

Zur Zeit lenkt die documenta in Kassel die Aufmerksamkeit auf sich - zumindest die Aufmerksamkeit derer, die sich nicht ausschließlich mit der Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten beschäftigen. Vor der Eröffnung der Ausstellung hat die Stadt Kassel bereits international von sich Reden gemacht. Allerdings weniger wegen ihrer Eigenschaft als Gastgeberin der documenta, als vielmehr ihrer ikonoklastischen Stadtreinigung wegen, die kurzerhand ein Kunstwerk der Künstlerin Lotty Rosenfeld entfernt hat. Es handelte sich dabei um auf die Straße gemalte Kreuze, mit denen die Künstlerin auf unterschwellige Unterdrückung aufmerksam machen wollte (so, so…). Sie griff damit eine ähnliche Aktion auf, mit der sie 1979 in Chile illegal gegen Pinochet demonstriert hatte. Der Kassler Stadtreinigung entging offenbar der tiefere Sinn dieser Straßenbemalung und so wurden die Kreuze entfernt.

Bei allem Bedauern (oder aller Schadenfreude) werden aber doch Erinnerungen wach. Erinnerungen an ein ähnliches Schicksal, das einstmals zehn Pfund Butter ereilte. Am 28.04.1982 befestigte Joseph Beuys in seinem Atelier in der Düsseldorfer Kunstakademie 5kg Butter an der Wand - in fünf Metern Höhe. Dabei entstand eine 25 cm große Skulptur, die unter dem Namen “Fettecke” bekannt wurde. Berühmt wurde die Fettecke allerdings erst, als nach Beuys Tod eine Reinigungskraft der Kunstakademie das Kunstwerk beseitigte. Dieser “Bildersturm” führte zu einem Prozess zwischen Johannes Stüttgen, dem Beuys die Fettecke gewidmet hatte, und dem Land Nordrhein-Westfalen. In zweiter Instanz verglichen sich die Parteien und Stüttgen erhielt 40000 DM als Schadenersatz.

Was lernen wir daraus? Heute wird moderne Kunst nicht mehr als “entartet” deklariert sondern verschwindet gleich unerkannt und unbeabsichtigt auf einer Mülldeponie.

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