3.
Apr
11

Man verbrennt mal wieder

von Ben

In den USA wird ein Quran verbrannt und in Afghanistan sterben darauf Menschen. Vor allem in den Leserkommentaren überschlagen sich jetzt die Stimmen, wenn es darum geht, Unverständnis zu äußern über diese Bluttat, über den religiösen Fanatismus, der hier offensichtlich am Werk ist, über den Mangel an Zivilisiertheit und die über die übertriebene Empfindlichkeit der Muslime im Allgemeinen und der Afghanen im Besonderen. Unverständnis aber auch darüber, dass eine solche Aufregung entsteht, während in der westlichen Welt kein Hahn danach kräht, ob nun in irgendeinem muslimischen Land Bücher oder Fahnen oder Menschen verbrannt werden.

Eine recht häufig gehörte Erklärung für letzteres Phänomen ist, dass “die multikulturellen Gutmenschen” im Westen einfach Angst vor den Moslems hätten und daher sich nicht trauten, irgendetwas zu kritisieren, was auch nur entfernt mit dem Islam in Verbindung steht. Ein alternatives Erklärungsmodell ist, dass eben jene multikulturellen Gutmenschen den Islam so ins Herz geschlossen haben, dass sie zur Kritik gar nicht mehr fähig sind.

Die Erklärung ist meines Erachtens eine andere. “Der Westen” reagiert allein deshalb so verhalten, weil er sich nicht wirklich dafür interessiert, was in irgendwelchen unterentwickelten Gegenden dieser Welt passiert. Ob in Damaskus amerikanische Fahnen, in Teheran Obama-Puppen oder in Kabul Menschen verbrannt werden interessiert im Westen weniger, als die Ergebnisse der Sonntagsspiele.Und warum? Weil wir wissen (oder zu wissen meinen), dass egal was in Syrien, Iran oder Afghanistan passiert, es keinen relevanten Einfluss auf unser Alltagsleben hat.

Die arabische/islamische/orientalische Welt dagegen lebt seit 200 Jahren mit der gegenteiligen Erfahrung. In Bagdad, Kairo und Beirut wissen die Menschen, dass jeder innenpolitische Vorgang bei den mächtigen Nachbarn im Westen unmittelbare Auswirkungen auf ihr Leben haben kann. Ob Irak Iran angreift, weil er von den USA unterstützt wird, ob Iran mit einem Handelsembargo belegt wird, weil “dem Westen” die Politik der Mullahs nicht gefällt oder ob revolutionäre Splittergruppen plötzlich mit modernsten Waffen westlicher Bauart kämpfen können - alles geht zurück auf Entscheidungen im Westen und jedes mal sterben Menschen. Entscheidet dagegen Saudi Arabien, in Europa den Djihad zu unterstützen wird daraus eine Fußnote im Verfassungsschutzbericht.

Es sind diese Erfahrungen, die den Unterschied machen.

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