Der Kreuzfahrer als Judenfreund
Die Islam(ismus)debatte führt ja hin und wieder zur unfreiwilligen Demaskierung der Teilnehmer. So präsentierte sich am 10.10. in der Sendung “Wie viel Islam verträgt Deutschland” folgender Wortwechsel den entsetzten Ohren der Zuschauer:
Friedmann: … Ich erinnere mich jedenfalls, dass das Christentum, jedenfalls die Katholiken, bis zum zweiten vatikanischen Konzil das Judentum religiös-antisemitisch verfolgt haben, nichtsdestotrotz…
Geis: Na, na, jetzt übertreiben Sie aber maßlos.
Friedmann: Naja, wollen wir über die Kreuzzüge reden, über andere Dinge?
Geis: Ach jetzt, die Kreuzzüge gingen ja nicht gegen die Juden.
Nach diesem eindrucksvollen Beweis mangelnden historischen Verständnisses hier nochmal für alle eine kurze Zusammenfassung des Verhältnisses der Kreuzfahrer zu den Juden.
Weihnachten 1095 rief Papst Urban die christliche Ritterschaft dazu auf, das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien. Unabhängig davon, ob es diesen Kreuzzugsaufruf in dieser Form tatsächlich gegeben hat oder ob es sich um einen Fall nachträglicher Legendenbildung handelt, zog in der Folge ein christliches Heer in die Levante um Jerusalem zu befreien. Allerdings folgten dem Ruf zum Kreuz nicht allein die eher disziplinierten Heerhaufen der christlichen Fürsten, sondern auch viele Vertreter der Schicht, die man gemeinhin als “einfaches Volk” zu bezeichnen pflegt: verarmte Bauern, Handwerker und Bettler. Nachum T. Gidal beschreibt die Vorgänge so:
Wer sich nicht taufen ließ, wurde ermordet… In Speyer kamen die Juden nach zeitweiliger Evakuierung mit “nur” elf Toten glimpflich davon. In Mainz wurde die Gemeinde zuerst vom Erzbischof geschützt, dann aber ausgeliefert. Die tausenddreihundert Ausgelieferten wurden ermordet… In Xanten, Trier, Straßburg, Verdun und Worms ereigneten sich ähnliche Massaker…
(Nachum T. Gidal, Die Juden in Deutschland, 1997, S. 34 f)
Zwar versuchte Heinrich IV. Vergeblich durch ein Edikt, die Juden zu schützen, allerdings dürfte es ihm eher darum gegangen sein, die zügellosen Marodeure unter Kontrolle zu bringen, als darum, die Juden zu schützen. Bei der Eroberung Jerusalems zumindest wurde nichts unternommen, die innerhalb der Mauern angetroffenen Juden zu schützen. Thomas Asbridge findet hierzu kurze, aber eindrucksvolle Worte:
Other crusaders ranged through the city at will, slaughtering men, women and children, both Muslim and Jews, all the while engaging in rapacious looting… Even so we must still acknowledge the terrible inhumanity of the crusaders’ sadistic butchery… it was a prolonged, callous campaign of killing that lasted at least two days and it left the city awash with blood and littered with corpses.
(Thomas Asbridge, The Crusades, 2010, S. 101 f)
Aber was zählen schon historische Fakten gegen ein selbstgerechtes Weltbild. Und so schaffen es die Konservativen quasi in einem Atemzug, nicht nur die Juden als Teil der westlichen Kultur anzuerkennen, sondern gleich auch noch ihre Verfolgung zu relativieren.
November 23rd, 2010 at 6:04 pm
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