10.
Jun
07

Rechtsstaat?

von Ben

Nach einem Bericht von Spiegel-Online wurden mehrere Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Schnellverfahren verurteilt. Gegen die Schnellverfahren ist an sich nichts zu sagen, doch scheint es so zu sein, als hätten die beteiligten Sicherheitsbehörden die Angeklagten gezielt daran gehindert, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Dazu an dieser Stelle ein paar kurze historische Anmerkungen:

1933 beginnt direkt nach der Machtergreifung der NSDAP die SA und in ihrem (zeitlichen, nicht institutionellen) Gefolge die Gestapo (zunächst beschränkt auf Preußen), Regimegegner, insbesondere Kommunisten und Sozialdemokraten zu verhaften. 1934 weitet die Gestapo ihre “Tätigkeit” auf das ganze Reich aus und nahm Gegner der herrschenden Ordnung in “Schutzhaft”, die in KZ vollzogen wurde. Den Verhafteten wurde ein Rechtsbeistand verweigert.

Im April 1934 wurde als Reaktion auf zwei Freisprüche im Reichstagsbrandprozess der Volksgerichtshof gegründet, der für Verratsprozesse und andere politische Strafverfahren zuständig war. Die vor dem Volksgerichtshof angeklagten, durften ihren Verteidiger nicht selbst wählen, sondern bekamen einen Rechtsbeistand gestellt, dem sie oftmals erst kurz vor der Verhandlung zum ersten Mal begegneten. Die Arbeit der Verteidiger wurde dadurch erschwert, dass ihnen Akteneinsicht erst im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Verhandlung gewährt wurde.

1945 - 1949 wurden auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone auf Anweisung des NKWD hin zahlreiche “Nationalsozialisten” verhaftet und vor russischen Militärtribunalen angeklagt. Den Angeklagten wurde im Verfahren jeder Rechtsbeistand verweigert.

1949 - 1989 wurden in der DDR eine Vielzahl von Menschen von der Stasi in Haft genommen und angeklagt. Die Verhandlungen wurden zum Teil geheim abgehalten. Obwohl in der DDR jeder Angeklagte Anspruch auf einen Verteidiger hatte wurde dieses Recht vielen politisch Verfolgten verweigert.

1998 wurden in Indonesien im Zusammenhang mit dem Konflikt um Osttimor mehrere Menschen Angeklagt, ohne dass ihnen ein unabhängiger Verteidiger zur Verfügung gestanden hätte.

2004 wurden nach Angaben von Amnesty International in der Volksrepublik China mehrere Menschen zum Tode verurteilt, ohne im Verfahren rechtlich vertreten worden zu sein.

2007 ist das amerikanische Verteidigungsministerium der Ansicht, die Häftlinge in Guantanamo hätten keinen Anspruch auf Unterstützung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt. Kritik von Menschenrechtsorganisationen wird zurückgewiesen.

Das alles in Rechnung gestellt (insbesondere die deutschen Beispiele): Verteidigen unsere Behörden wirklich noch den Rechtsstaat?

One Response to “Rechtsstaat?”

  1. osttimor Says:

    […] Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Osttimor, Vietnam …Zeitblog Blog Archive Rechtsstaat?1998 wurden in Indonesien im Zusammenhang mit dem Konflikt um Osttimor mehrere Menschen Angeklagt, […]

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