Medien und Wissenschaft
Donnerstag, Mai 13th, 2010Uwe Walter setzt sich im FAZ-Blog Antike und Abendland nach seiner Kritik an der Darstellung der aktuellen Troja-Debatte in der ZDF-Sendung Terra X nun mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Medien auseinander. Er kommt zu dem nicht gerade verwunderlichen Schluss, dass die Darstellung komplexer wissenschaftlicher Sachverhalte im Fernsehen sehr unzureichend ist, wissenschaftlicher Anspruch und die Vermittlungsmöglichkeiten durch das Fernsehen wahrscheinlich nicht zusammenpassen.
Für den Bereich der Geschichtswissenschaft, deren heutige Aufgabe vornehmlich in der Darstellung und Ergründung von Zusammenhängen besteht und die, dem alten Quellenproblem geschuldet, immer offen für Diskussion ist, hat er sicher recht. Was für die Geschichtswissenschaft gilt, gilt jedoch in gleichem Maße für alle Gesellschafts- oder Kulturwissenschaften – die Komplexität ihrer Forschungsgegenstände macht es (nahezu?) unmöglich, ihre Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie über das Fernsehen vermittelbar sind, es sei denn, sie werden in einem Maß simplifiziert, dass Gefahr läuft, die Grenze zur Falschdarstellung zu überschreiten.
Aber welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Sollte sich die Geschichtswissenschaft damit abfinden, dass das Fernsehen keinen angemessenen Umgang mit ihr kennt und die Zusammenarbeit verweigern? Oder sollte das Fernsehen – im Interesse einer umfassenden Information der Zuschauer – sein Format anpassen und weniger auf spektakuläre Effekte als auf Darstellung von Diskursen setzen? Letzteres hätte im Extremfall zur Folge, dass aus den “History”-Sendungen, bisher voll von eindrucksvollen Spielfilmszenen und mitreißenden zeitgenössischen Filmsequenzen (besonders beliebt wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht), Diskussionsrunden nach dem Vorbild des Literarischen Quartetts würden. In ersterem Fall müsste die Gesellschaft damit leben, dass es eine dreigeteilte historisch informierte öffentlichkeit gäbe: die Akademie, das interessierte Publikum, das sich über Zeitschriftenbeiträge und Vorträge informiert, und eine eigentlich nicht informierte öffentlichkeit, deren Wissen aus Filmen auf dem Niveau von Gladiator beruht.
Andererseits gebe ich zu, das Letzteres weniger ein Ausblick in die Zukunft als mehr eine Zustandsbeschreibung ist. Und so passiert es einem (also mir), dass einem mit Begeisterung von den neuesten Erkenntnissen der Trojaforschung berichtet wird (Zitat: “Troja war gar nicht Troja, Schliemann hat an der falschen Stelle gegraben!”). Dass die Theorien von Schrott mehrheitlich abgelehnt werden, dass die politische Bedeutung von Troja sowieso umstritten ist, dass über die historische Person Homers keinerlei Einigkeit herrscht – dergleichen Ärgerlichkeiten hat das ZDF seinen Zuschauern vorenthalten. Vielleicht hat man Angst, seine Zuschauer zu überfordern.