Im Blog Mädchenmannschaft ist mir eine interessante Sichtweise auf die bürgerliche Familie begegnet, die das bürgerliche Konzept der Familie (Eltern und Kinder) vornehmlich als Instrument der Unterdrückung versteht. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Familie vor allem eine Fürsorgegemeinschaft ist und die Zugehörigkeit eine Fürsorgepflicht in erster Linie der Eltern gegenüber ihren Kindern begründet. Die Notwendigkeit aber, nicht nur für sich, sondern auch für die eigenen Kindern (vielleicht auch für den Ehepartner) zu sorgen, führt dazu, dass kaum Ressourcen bleiben, um sich mit den bestehenden Herrschaftsverhältnissen auseinander zusetzen und gegebenenfalls dagegen anzugehen. So betrachtet war die „Erfindung der Familie“ tatsächlich nur ein kluger Schachzug, um die bestehenden Verhältnisse zu zementieren.
Aber ist das wirklich eine sachlich angemessene Sichtweise auf das Konzept Familie? Wird dadurch nicht vielmehr da Verständnis für die Funktionsweise und Notwendigkeit von Familien verstellt durch eine (vielleicht ideologisch motivierte) einseitige Betrachtungsweise?
Prima facie hat die oben skizzierte Interpretation durchaus etwas für sich. Die Einbindung in eine Familie bringt in der Tat nicht nur Verantwortung, sondern durchaus auch politische Zurückhaltung mit sich, wie die Aussagen von Mitläufern aus dem Dritten Reich belegen, die im Nachhinein sagten, sie hätten nur aus Rücksicht auf ihre Familien keinen Widerstand geleistet. Andererseits erfüllt(e) die bürgerliche Familie die Funktion der Nachwuchsaufzucht und -versorgung und wurde nicht zuletzt spätestens seit Hegel (auch) als Bedingung des modernen Staates verstanden, so dass ihre Funktion kaum auf eine wie auch immer geartete Unterdrückung beschränkbar scheint.
Derart grundsätzlich betrachtet, ist aber die Frage meines Erachtens falsch gestellt. Es kann nicht darum gehen, nachzuweisen, dass das Prinzip der Familie allein der Unterdrückung dient; es genügt schon, festzustellen, dass das bürgerliche Konzept der Familie auch Unterdrückung der Beteiligten mit sich bringt. So sensibilisiert kann es dann nur gelten, das Konzept zu akzeptieren, weil der Nutzen die Nachteile überwiegt, oder nach brauchbaren Lösungen zu suchen.
Bei allen Vorteilen, die die Familie mit Blick auf die Aufzucht des Nachwuchses und die generationenübergreifende Fürsorge hat, steht es jedoch außer Frage, dass das Konzept der Familie auch dazu beiträgt, bestehende Verhältnisse, insbesondere Geschlechterbilder zu zementieren. Zumindest in unsere ökonomistischen Gesellschaft, in der die Tendenz besteht, alle Belange der sogenannten freien Wirtschaft unterzuordnen, ist die Erfüllung des klassisch-bürgerlichen Familienkonzepts mit einem Ernährer und einem Nachwuchsversorger immer zu einer gesellschaftlichen Deklassierung des letzteren (was im Ergebnis zur Auflösung der Familie führt oder zur Weigerung der Männer, die Versorgerrolle zu übernehmen).
Was also als Lösung vorschlagen? Ein Weg wäre sicherlich, die bürgerliche Fixierung auf die Erwerbsarbeit als (nahezu) einziges identitätsstiftendes Moment aufzugeben. Ein anderer, die Sorge für den Nachwuchs möglichst zügig in die Hände der Gesellschaft zu legen, um beiden Elternteilen die Teilnahme m Erwerbsleben zu ermöglichen. Für Beispiele braucht man nicht einmal zurückzuschauen nach Sparta, es genügt ein Blick hinüber zu unseren französischen Nachbarn.