Irgendwie scheinen Gesellschaften einen gewissen Hang zur Verherrlichung ihrer Streitkräfte zu haben. Im antiken Rom führten die meisten politischen Karrieren über den Umweg des Heeres. Für die Preußen war die Armee die Schule der Nation und sowohl Franzosen, als auch Briten als auch US-Amerikaner halten seit jeher große Stücke auf ihre Armeen. Und jetzt das: die Israelis traditionell (und in gewisser Weise auch zurecht) ihrer Armee in Stolz und Dankbarkeit verbunden, diskutieren offiziell über ihr Verhalten während der letzten Gaza-Kampagne. Vieles von dem, was die Teilnehmer erzählen lässt sich nur als Kriegsverbrechen qualifizieren und so ist es durchaus verwunderlich, dass das Thema überhaupt zur Sprache kommt. Leider muss man einschränkend hinzufügen, dass bei aller Auseinandersetzung mit den Einzelfällen auch in der israelischen öffentlichkeit wenig Bereitschaft zu bestehen scheint, sich einzugestehen, dass es tatsächlich zu Kriegsverbrechen kam (an dieser Stelle nochmal Danke an Svenja für die Infos).
Dennoch kann ich der israelischen Gesellschaft eine gewisse Anerkennung nicht versagen. In der us-amerikanischen Öffentlichkeit begann die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Vietnamkrieges erst in den 90er Jahren, also gut 20 Jahre nach dem Abzug. Und ich selbst erinnere mich noch gut an die Aufregung um die Wehrmachtsausstellung.
Neben der berechtigten Kritik an historischen Ungenauigkeiten innerhalb der Ausstellung ist mir vor allem eines in Erinnerung geblieben: die selbstgerechte Empörung von Teilnehmern und Epigonen des Zweiten Weltkriegs über die angebliche Unterstellung, jeder Wehrmachtssoldat hätte Kriegsverbrechen begangen. Dabei hat die Ausstellung nichts anderes bezweckt (und bewirkt), als die bundesrepublikanische Öffentlichkeit dazu zu zwingen, die Tatsache anzuerkennen, dass die Wehrmacht institutionalisiert, das heißt von höchster Kommandoebene angeordnet, Kriegsverbrechen begangen hat. Diesen Umstand, den zumindest Historiker seit den 50er Jahren kannten, anzuerkennen viel der deutschen Öffentlichkeit selbst 50 Jahre nach Kriegsende noch spürbar schwer.
Grund hierfür war wahrscheinlich zum einen die allen Gesellschaften immanente Verherrlichung ihrer Streitkräfte und zum anderen, dass die Illusion der schuldlosen Wehrmacht einer der Gründungsmythen der Bundesrepublik war. Wie die DDR an den Antifaschimus, so glaubte die junge Bundesrepublik daran, dass Verbrechen allein von der SS begangen worden seien, während die Wehrmacht einen “sauberen” Krieg gefochten habe, “anständig geblieben sei - um die Worte Himmlers zu verwenden. Wie man sich 50 Jahre lang einreden konnte, der ideologisch aufgeheizte Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion sei kriegsrechtlich ohne Beanstandung abgelaufen ist mir schleierhaft. Aber vielleicht ist genau das die Natur von Mythen. Glücklicherweise sind die Deutschen diesem Mythos entwachsen. Ich gehe davon aus, dass der israelischen Gesellschaft mittelfristig ein ähnlicher Reifungsprozess bevorsteht.