Archiv für ‘Uncategorized’ Category

Zitat des Tages: Terry Eagleton

Sonntag, August 7th, 2011

There is good reason to believe that the devil is a Frenchman.
(On evil, 2010, p. 93)

Man verbrennt mal wieder

Sonntag, April 3rd, 2011

In den USA wird ein Quran verbrannt und in Afghanistan sterben darauf Menschen. Vor allem in den Leserkommentaren überschlagen sich jetzt die Stimmen, wenn es darum geht, Unverständnis zu äußern über diese Bluttat, über den religiösen Fanatismus, der hier offensichtlich am Werk ist, über den Mangel an Zivilisiertheit und die über die übertriebene Empfindlichkeit der Muslime im Allgemeinen und der Afghanen im Besonderen. Unverständnis aber auch darüber, dass eine solche Aufregung entsteht, während in der westlichen Welt kein Hahn danach kräht, ob nun in irgendeinem muslimischen Land Bücher oder Fahnen oder Menschen verbrannt werden.

Eine recht häufig gehörte Erklärung für letzteres Phänomen ist, dass “die multikulturellen Gutmenschen” im Westen einfach Angst vor den Moslems hätten und daher sich nicht trauten, irgendetwas zu kritisieren, was auch nur entfernt mit dem Islam in Verbindung steht. Ein alternatives Erklärungsmodell ist, dass eben jene multikulturellen Gutmenschen den Islam so ins Herz geschlossen haben, dass sie zur Kritik gar nicht mehr fähig sind.

Die Erklärung ist meines Erachtens eine andere. “Der Westen” reagiert allein deshalb so verhalten, weil er sich nicht wirklich dafür interessiert, was in irgendwelchen unterentwickelten Gegenden dieser Welt passiert. Ob in Damaskus amerikanische Fahnen, in Teheran Obama-Puppen oder in Kabul Menschen verbrannt werden interessiert im Westen weniger, als die Ergebnisse der Sonntagsspiele.Und warum? Weil wir wissen (oder zu wissen meinen), dass egal was in Syrien, Iran oder Afghanistan passiert, es keinen relevanten Einfluss auf unser Alltagsleben hat.

Die arabische/islamische/orientalische Welt dagegen lebt seit 200 Jahren mit der gegenteiligen Erfahrung. In Bagdad, Kairo und Beirut wissen die Menschen, dass jeder innenpolitische Vorgang bei den mächtigen Nachbarn im Westen unmittelbare Auswirkungen auf ihr Leben haben kann. Ob Irak Iran angreift, weil er von den USA unterstützt wird, ob Iran mit einem Handelsembargo belegt wird, weil “dem Westen” die Politik der Mullahs nicht gefällt oder ob revolutionäre Splittergruppen plötzlich mit modernsten Waffen westlicher Bauart kämpfen können - alles geht zurück auf Entscheidungen im Westen und jedes mal sterben Menschen. Entscheidet dagegen Saudi Arabien, in Europa den Djihad zu unterstützen wird daraus eine Fußnote im Verfassungsschutzbericht.

Es sind diese Erfahrungen, die den Unterschied machen.

Blutsonntag

Sonntag, Januar 23rd, 2011

Was muss eigentlich passieren, damit ein aktiver Priester seiner Verzweiflung mit dem Ausruf “Es gibt keinen Zar. Es gibt keinen Gott” Ausdruck verleiht? Nichts weiter, als dass eine von ihm geleitete Demonstration von Soldate zusammen geschossen wird. So geschehen in St. Petersburg am 09. Januar 1905 – dem Blutsonntag.

Das beginnende 20. Jahrhundert sah das zaristische Rußland in einer tiefen Krise. Der größte Teil der Bevölkerung lebte in tiefer Armut, unterdrückt und ausgebeutet von Adel und Wirtschaft, in die Armee gepresst oder zur Prostitution gezwungen. Mit eiserner Hand versuchte der von seiner göttlichen Berufung erfüllte aber durch und durch mittelmäßige Zar Nikolaus II. das Volk ruhig zu halten. Dass sich gleichzeitig sein Traum von der Großmacht Rußland im Feuer japaischer Kanonen in einen Alptraum verwandelte und er in einem desaströsen Krieg 1904/05 zwei Flotten und die Vormachtstellung in Asien an Japan verlor, verbesserte die Situation nicht.

Um in der Bevölkerung den Rückhalt für Sozialisten und Anarchisten zu mindern und dem Unmut dennoch ein Ventil zu geben gestatteten die Behörden schließlich die Gründung christlichen-patriotischer Vereine, von denen eine von dem charismatischen Priester Georgi Apollonovich Gapon geführt wurde. So groß war die Hingabe zum Zar, dass Gapon und seine Gefolgsleute den Entschluss fassten, den Zar persönlich über die Missstände zu unterrichten, in der festen überzeugung, dass ihr Landesvater alles tun würde, um ihr Leid zu lindern, erführe er nur endlich davon. Trotz des behördlichen Verbots versammelten sich daher am 09. Januar 1905 die Arbeiter von St. Petersburg und machten sich auf den Weg zum Zar – im Sonntagsstaat, nüchtern unter Mitführung von Ikonen und dem Absingen kirchlicher Lieder. Die Pilgerreise endete im Kugelhagel. Ausländische Pressevertreter schätzen damals den Blutzoll auf etwa 4.600 Tote und Verwundete, gegenüber etwa 300 Opfern, von denen die Behörden sprachen.

Der Blutsonntag zog weitere Proteste nach sich, darunter die Meuterei auf dem Panzerkreuzer Potemkin, der Sergei Eisenstein ein filmisches Denkmal setzte. Die Reaktion der russischen Behörden dagegen nahm das Ausmaß eines Bürgerkriegs an: unterstützt von rechten Organisationen, die die in Rußland lebenden Juden zum primären Ziel ihrer Gewaltorgie machten führten Polizei und Armee Krieg gegen die Bevölkerung. Zwischen Oktober 1905 und April 1906 wurden ungefähr 15.000 Arbeiter und Bauern aufgehängt oder erschossen, weitere 20.000 wurden verletzt und über 40.000 exiliert. In den Städten wurden 5.000 Todesurteile verhängt und 38.000 Menschen zu Gefängnis oder Zwangsarbeit verurteilt. Der Zar war erfreut.

Vater Gapon wurde 1906 ermordet; Zar Nikolaus II. zahlte 1918 den Preis für Blutdurst und Unterdrückung und wurde am 17. Juli mit seiner Familie erschossen, nachdem eine erfolgreiche Revolution seinem Regime ein Ende gesetzt hatte. Eine menschlichere Regierung erhielt das russische Volk dadurch nicht.

Linktip: Kamele in den USA

Mittwoch, Januar 5th, 2011

Eigentlich wäre es ein Thema für mich gewesen, aber Dr. Grumpy macht das selber sehr gut: Christmas Eve history lesson
(gefunden über sociological images)

Sudanesische Kontrapunkte

Mittwoch, Januar 5th, 2011

Wir alle erinnern uns noch an die Gewalt im Sudan, den Massenmord an den Christen im Süden, verübt durch islamistische Milizen. 2,5 Millionen Menschenleben haben die Bürgerkriege im Sudan gefordert und die Gewaltausbrüche in Dafur dazu geführt, dass zum ersten Mal seit bestehen des Internationalen Strafgerichtshofes ein Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef verhängt wurde. Doch am 09. Januar findet im Sudan ein Referendum statt, am 09. Januar haben die Christen im verfolgten Süden endlich die Möglichkeit sich ihre Freiheit von muslimischer Unterdrückung zu wählen. So kurz und einfach währe die Geschichte erzählt und wird die Geschichte in den deutschen Medien erzählt (teilweise ergänzt um den Hinweis auf die Geschichte des Sklavenhandels), wäre da nicht - Aljazeerah.

May Ying Welsh erzählt bei Aljazeerah eine andere Geschichte vom Sudan. Die Geschichte eines Landes, das nach dem Bürgerkrieg in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts sich aufmachte, Einigkeit zu erlangen, eines Landes, in dem Menschen aus dem Norden und dem Süden, Moslems und Christen gemeinsam daran gingen, die Zukunft ihres Landes zu bauen. Aber auch die Geschichte eines Landes, das in seinem Bemühen von der Staatengemeinschaft im Stich gelassen wurde, weil ein friedlicher, geeinigter Sudan mit all seinem Reichtum an Ressourcen den Nachbarn und den westlichen Staaten weniger genützt hätte, als ein vom Bürgerkrieg zerrisener und damit schwacher Sudan. Und sie lässt Safwat Fanous, einen Analysten aus dem Norden auf die Verehrung hinweisen, die Führer der südlchen Rebellen, John Garang, auch im Norden entgegengebracht wurde.

Einen nocheinmal anderen Blickwinkel nimmt der Journalist und Filmemacher Hassan Ibrahim ein, der von der Trauer der Nordsudanesen ob der bevorstehenden Teilung berichtet. Und von der tiefen Ientitätskrise der Sudanesen, die in ihrem Wunsch, den (weißen) Arabern näher zu sein und deren Akzeptanz zu erlangen ihr (schwarzes) Afrikanisches Erbe in Form des Südens bekämpft hätten.

Hier wird ein Kontrapunkt gesetzt, gegen die simplen Erklärungsversuche des Westens und vielleicht sollte die Geschichte des Sudan wirklich nicht als Geschichte ethnischer und religiöser Konflikte erzählt werden, sondern als Geschichte eines Landes, das um Frieden und seine Einheit gekämpft hat und in den Momenten höchster Not im Stich gelassen wurde.